Blog

Frank Albersmann – Im Hafen von Mainz (Lyric Video)

Es gibt neue Musik.
Frank Alb Joachimsson Brüllbart hat eines meiner Gedichte wundervoll vertont.
Viel Spaß im Hafen von Mainz.

Im Hafen von Mainz sind Matrosen, sie singen
von Träumen, die rasch in der Flasche versinken.
Sie singen und trinken. Der Wein weckt die Wut,
denn vieles im Lande ist nüchtern nicht gut.

Im Hafen von Mainz sind Matrosen, sie lieben
die Mädchen, die sie für den Seemannslohn kriegen.
Sie lieben und trinken. Der Rum weckt die Lust,
denn nüchtern blüht Einsamkeit leicht in der Brust.

Im Hafen von Mainz sind Matrosen, sie essen
die schäbigsten Döner wie Delikatessen.
Sie essen und trinken. Der Schnaps wärmt das Blut,
denn vieles im Lande ist nüchtern nicht gut.

Im Hafen von Mainz sind Matrosen, sie pfeifen
auf Herkunft und Heimat. Sie werden nicht bleiben.
Sie pfeifen und trinken. Das Bier schäumt im Kuss,
denn nüchtern blüht Einsamkeit leicht in der Brust.

Im Hafen von Mainz sind Matrosen, sie weinen,
sie weinen und weinen. Sie dürfen nicht bleiben.
Sie weinen und trinken, bis alles verschwimmt.
Der Schlaf sie erlöst und auf Seefahrt mitnimmt.

Dann werden Matrosen zu Schatten am Grund.
Zu Klumpen am Bahnhof, mit dem Tode im Bund.
Am Himmel die Sterne, der Teufel im Blut,
denn vieles im Lande ist nüchtern nicht gut.

Neuer Gedichtband „Allein um zwei zu sein“

Mein letzter Gedichtband „Für C.“ erschien vor fünf Jahren. Seitdem war Poetry Slam der Mittelpunkt meines kreativen Schaffens, sodass meine letzten zwei Veröffentlichungen, „Bühnenbilder“ und „Adoptivsprache“, Bühnentextsammlungen waren.

Im September und Oktober 2018 besuchte ich ein Sprecherseminar in Berlin und lebte dort.

Diese Zeit hat mich menschlich und künstlerisch sehr geprägt. Ein Grund dafür war, dass ich aus meiner Poetry Slam-Routine, die aus knapp 100 Auftritten im Jahr bestand, herausgerissen wurde. Ein anderer Grund war natürlich Berlin mit den Millionen Möglichkeiten und Menschen, die dort leben.

Ich hatte sehr intensive Begegnungen und Erlebnisse. Ich habe viel geschrieben, ganz unbewusst schlich sich wieder die kurze, klassische Gedichtform, die ich schon fast vergessen hatte, wieder in meine Arbeit ein.

Ich erinnerte mich wieder daran, wieso ich damals, 2010, mein erstes Gedicht aufs Papier brachte. Aus Liebe.

Aus Liebe zum Wort. Aus Liebe zum Verdichten und Intensivieren. Aus Liebe zum Klang jeder einzelnen Zeile, jeder einzelnen Silbe, die gelesen werden darf und nicht auf der Bühne wirken muss.

Aus Liebe als Suche nach einer gemeinsamen Sprache, die die Einsamkeit zwischen zwei Menschen überbrücken kann.

Paul Celan war mir eine große Inspirationsquelle. Sein Umgang mit der Sprache ist einzigartig. Manchmal scheint es mir fast, als würde er nicht auf Deutsch, sondern in einer eigenen Sprache schreiben, die nur deutsche Wörter benutzt. Sein Kampf mit der Sprache, mit der Sprachlosigkeit und dem Drang, dem Leben die richtigen, die wahren Worte abzuringen, ist mir sehr gut bekannt.

In Berlin war ich oft wortlos und habe mein Selbstverständnis der Sprachgrenzen neu finden müssen. Was bedeutet es, Gedichte zu schreiben? Was bedeutet es, einen Moment, ein Gefühl, einen Gedanken in Worten zu verorten? Wieso überhaupt schreiben?
Die Antwort auf all diese Fragen kann für mich nur Dichtung sein.

Ich schweige oft unter Menschen, aber selten, wenn ich mit mir allein bin.

Deswegen war es nach fünf Jahren an der Zeit, wieder einen Gedichtband zu veröffentlichen.

Deswegen darf ich euch heute voller Stolz „Allein um zwei zu sein“ vorstellen.

 

Thomas Bernhard und der rote Stier

Ich habe vor kurzem Thomas Bernhards Bücher für mich entdeckt. Alles hat mit einem Video aus der Reihe „Lauter schwierige Patienten“ von Marcel Reich-Ranicki angefangen, in der er deutsche Schriftsteller seiner Gegenwart diskutiert und vorstellt.
Das Video über Thomas Bernhard ist nicht besonders spannend. Ranicki scheint auch nicht besonders von ihm beeindruckt zu sein, er äußert einen gewissen Respekt und hebt die Einzigartigkeit Bernhards Prosa hervor, die durch manische Wiederholungen und eindringliche Psychogramme zu beeindrucken weiß. Die Erzählungen „Die Mütze“ und „Der Zimmerer“ werden von Ranicki besonders gelobt. Also habe ich diese gelesen …
Und dann noch mehr gelesen und war verwirrt und beeindruckt. Bernhard schafft mit einfachen Mitteln eine sehr beklemmende und merkwürdige Atmosphäre. Seine Geschichten sind voller Wahnsinn und sprachlicher Finesse. Aber es gibt nur wenig Abwechslung. Die Themen wiederholen sich, alles dreht sich um Verfall, Tod und Leiden. Nach wenigen 100 Seiten Bernhard hatte ich erstmal genug.
Zu empfehlen ist eine interessante Dokumentation über Bernhard, die es vollständig bei youtube zu sehen gibt.

„Die Ursache bin ich selbst“: https://www.youtube.com/watch?v=Bcu8OzS-vyg&t=2s

Das folgende Gedicht habe ich einigen Szenen aus dieser Dokumentation verschuldet zu Papier gebracht.

Blut und Spiele

Es ist ein wunderschöner Tag,
die Sonne scheint, wohl 30 Grad.
Ein Schmetterling schwingt durch die Luft
und Blumen sprühen Frühlingsduft.

Ein Wortewirrwarr klingt im Wind,
die Menge freut sich, jemand singt.
Die Menschenmassen strömen strikt
zum Eingangstor und jeder blickt

kurz vor dem Eingang auf den Bogen
auf dem in roten Lettern oben
steht: „Heute, hier, in dieser Stadt
das Schauspektakel feinster Art.“

In der Arena kalter Staub.
Die Hufen wirbeln Erde auf.
Kalt sind die Speere und die Spitzen,
die bald in meinem Rücken sitzen.

Kalt sind die Augen, Tausend schauen.
Sie staunen, raunen, Männer, Frauen.
Sind von dem Schauspiel fasziniert,
das greifbar nah für sie passiert.

Und der Torero schwingt das Tuch,
das ich mit meinen Hörnern such.
Ich kann nicht anders, nein, ich muss,
es ist mein Fluch und fremde Lust,

der Reiz, der über Ratio siegt,
die Sucht, die einen immer kriegt.
Bevor der letzte Stich mich bricht,
seh ich den Schmetterling, der fliegt.

Kaiserslautern, 25.02.2017

Es fängt an mit …

Offensichtlich nicht

Der Morgen graut so bunt wie nie,
in allen Farben strahlen sie,
die Wunder, die doch niemand sieht,
weil man noch schlafend, schnarchend liegt,

oder schon hastet zu der Pflicht,
auf dass die Stechuhr pünktlich sticht,
auf dass das Bankkonto gefüllt,
auch wenn der Chef mal lästig brüllt.

Geld ist schon komisch irgendwie,
genug davon bekommt man nie.
Man braucht es, um es nicht zu brauchen…
es ist wie Wasserscheu und Tauchen,

wie ausgelaugt von schläfrig Dösen,
wie aufgetaucht aus Bergeshöhen,
wie ohne Bart und Märchenkönig,
wie Asiat und mäßig höflich,

wie rennen, um nicht schnell zu sein,
wie nicken, und doch sagt man nein,
wie morgens täglich aufzustehn
für Leben, ohne es zu sehn.